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Barmherzig, -keit. 1) Von Menschen — bezeichnet eine freundliche Gesinnung u. Handlungsweise gegen den Nebenmenschen, die daraus entspringt, daß man an seinem irgendwie bemitleidenswerten Los inneren Anteil nimmt. Deshalb bezieht der hebr. Ausdruck die B. auf die Eingeweide, d. h. das innerste im Menschen. Die B. sieht nicht die Person und ihre Würdigkeit, sondern allein ihr Elend an. Sie steht entgegen der Fühllosigkeit, auf welche fremdes Unglück keinen Eindruck macht (vgl. Priester und Levit, Lu. 10, 30 ff.), der Hartherzigkeit, die rücksichtslos auf dem eigenen Recht besteht (vgl. den unbarmh. Knecht, Mt. 18, 23 ff.), der Rachsucht, die schonungslos straft (vgl. 1 Kö. 20, 31). Doch hat Luther das Wort namentlich im A. T. in der Wendung „Barmherzigkeit an einem tun“ oft für „Freundlichkeit“ gebraucht (ebenso ist auch Gottes B. oft = Freundlichkeit), dagegen ist im N. T. B. im engeren Sinn von Jesus als Grundforderung seines Reiches geltend gemacht worden (Mt. 9, 13; 23, 23, vgl. die zwei oben erwähnten Gleichnisse) und dabei immer in Verbindung mit der göttlichen B. gesetzt, welche Vorbild (Lu. 6, 36), Beweggrund (Mt. 18, 33) und Lohn (Mt. 5, 7, vgl. Jak. 2, 13) für die menschliche B. sein will. Auch die Apostel führen die B. meist ausdrücklich an, wo sie die christl. Tugenden aufzählen (Rö. 12, 8; Phi. 2, 1; Kol. 3, 12; 1 Pe. 3, 8; Jak. 3, 17). — 2) Von Gott: Wenn die Bibel auch Gott B. zuschreibt, so tritt sie damit nachdrücklichst der heidnischen Vorstellung entgegen, als ob Gott in unnahbarer Ruhe und Seligkeit dem menschlichen Elend gegenüberstehe und höchstens gleich Almosen uns seine Wohltaten zuwerfe. Der barmherzige Gott nimmt es zu Herzen, wie es uns geht, und aus seinem Herzen kommt der Entschluß, uns zu helfen. Die B. ist ein wesentlicher Bestandteil der Bundesgnade Gottes, im A. und N. T. (Hos. 2, 21; Tit. 3, 5), sofern alle seine Heilstaten nicht nur aus den ewigen Grundsätzen seiner Liebe („Gnade u. Treue“), sondern auch aus dem immer sich erneuernden Eindruck unseres Elends hervorgehen. 2 Mo. 34, 6, wo Gott nach dem ersten Bundesbruch seine auf Sündenvergebung bezüglichen Eigenschaften aufzählt, steht B. voran, und diese Stelle klingt oft im A. T. wieder (z. B. 4 Mo. 14, 18; Ne. 9, 17; Ps. 86, 15; 103, 8; 145, 8; Joel 2, 13; Jona 4,2). Am häufigsten wird im A. T. die B. Gottes damit in Verbindung gebracht, daß er in seinen Gerichten schonend verfährt (5 Mo. 4, 31; Ne. 9, 31); und wenn auch zuzeiten die B. schweigen muß (Jer. 13, 14; Jes. 63, 15), so darf sie doch immer wieder dem Zorn Einhalt tun (Jes. 54, 7). Im N. T. wird sowohl die Erscheinung Jesu Christi selbst (Lu. 1, 78), als auch der Gnadenstand des einzelnen Christen (Eph. 2, 4; 1 Pe. 1, 3; 1 Tim. 1, 13) auf die B. Gottes bezogen. In einigen Briefen ist B. neben Gnade und Friede in den Segenswunsch des Einganges aufgenommen (1 Tim. 1, 2; 2 Tim. 1, 2; Tit. 1, 4; 2 Joh. 3; Jud. 2, vgl. Ga. 6, 16). Abweichend von dieser in der Bibel gewöhnlichen Gedankenverbindung, wonach Gott sogar der Vater der B. heißt (2 Kor. 1, 3), wird Hbr. 2, 17 betont, daß Jesus uns Menschen gleich werden mußte, um b. zu sein; hier ist an die menschlich-irdische Erscheinungsweise der B.gedacht, wonach dieselbe die eigene Empfindung des Elends zur Voraussetzung hat (vgl. 4, 15). Übrigens ist es auch ganz biblisch gedacht, wenn Sirach (5, 6; 16, 12) die sicheren Sünder davor warnt, sich der B. Gottes zu getrösten.
Th. Hermann.
About Calwer Bibellexikon: Biblisches Handwörterbuch illustriertDas Calwer Bibellexikon ist einer der bekanntesten Namen unter den deutschsprachigen Bibellexika. Laut Vorwort ist es als ein Handbuch für den nachdenkenden Bibelleser, Geistlichen oder Religionslehrer gedacht. Das Nachschlagewerk soll es dem Leser ermöglichen, ein „eben gelesenes Bibelwort als ein Glied in das ganze Gebäude seiner biblischen Anschauungs- und Gedankenwelt“ einzufügen. Der Herausgeber Paul Zeller merkt zudem an, das Werk sei „in dem einen Geist demütiger Ehrfurcht vor dem Worte Gottes und herzlicher Liebe zu der heiligen Schrift“ entstanden (Vorwort 2. Aufl.). Das Calwer Bibellexikon erschien zum ersten Mal im Jahr 1884, die zweite Auflage 1893, beide erfreuten sich großer Nachfrage. Die hier verfügbare dritte Auflage (1912) ist das Ergebnis einer umfassenderen Umarbeitung und teils auch Verkürzung. Der Herausgeber und die Mitwirkenden stammten zumeist aus der Württembergischen Landeskirche und der Schweiz. Bekannt war es auch unter dem alternativen Titel „Biblisches Handwörterbuch, illustriert“. |
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